Exklusives Interview mit dem deutschen Botschafter in Aserbaidschan Michael Kindsgrab 

  12 März 2018    Gelesen: 12900
Exklusives Interview mit dem deutschen Botschafter in Aserbaidschan Michael Kindsgrab 

Das Nachrichtenportal AzVision stellt den Lesern ein exklusives Interview mit dem Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Aserbaidschan Michael Kindsgrab vor.

Michael Kindsgrab (* 27. April 1964 in Bielefeld) ist ein deutscher Diplomat, der seit August 2016 Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Aserbaidschan ist. Von 1993 bis 1995 war er am Auswärtigen Amt in Berlin als Referent in der Politischen Abteilung sowie daraufhin zwischen 1995 und 1998 Mitarbeiter der Politischen Abteilung der Ständigen Vertretung bei den Vereinten Nationen (UN) in New York. Im August 2016 löste Kindsgrab Heidrun Tempel als Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Aserbaidschan. Botschafter Kindsgrab ist verheiratet und Vater von drei Kindern.

- Herr Botschafter,  von weitem Jemen bis nach Europa und Amerika haben Sie gearbeitet. Wo war es für Sie schwieriger, einen diplomatischen Dienst zu leisten?

- Das Schöne am diplomatischen Dienst ist gerade die Möglichkeit, sehr unterschiedliche Länder und Kulturen kennenzulernen. Andererseits ist die Arbeit an einer Auslandsvertretung auch mit Herausforderungen verbunden. Die ökonomische Situation und die Sicherheitslage in Georgien Ende 1990er Jahre machten die Arbeit dort nicht einfach. Gerade vor dem Hintergrund meiner empfinde ich Aserbaidschan als ein besonderes Kleinod. Ich kenne zum Beispiel keinen deutschen Besucher, der von Baku nicht positiv überrascht wurde.

- In jedem Land hat der diplomatische Dienst seine eigenen Besonderheiten. Was sind die verschiedenen Nuancen, als Botschafter in Aserbaidschan zu arbeiten?

- Ich habe die Menschen hier als sehr gastfreundlich und aufgeschlossen kennengelernt. Das Interesse für Deutschland ist groß, ebenso die Kontaktbereitschaft. Wenn ich einen Wunsch frei hätte, dann würde ich meine Gesprächspartner gerne ermuntern, offen und entspannt mit der internationalen Öffentlichkeit umzugehen und so Sympathie für ihr Land einzuwerben..

- In der für Georgien sehr komplizierten Zeit haben Sie dort als stellvertretender Botschafter gearbeitet. Wie können Sie die Entwicklung der Länder des Südkaukasus in den letzten 16-17 Jahren bewerten?

- Wenn ich heute, 15 Jahre später Georgien besuche, dann ist das Land natürlich kaum wieder zu erkennen. Und es sind nicht nur die Veränderungen im Stadtbild. Das Land ist sehr weit bei Institutionenaufbau und Zusammenarbeit mit der EU vorangekommen. Die 2017 erfolgte Visabefreiung und das hohe Maß an wirtschaftlicher Verflechtung zeugen davon. Georgien zeigt, was in der Zusammenarbeit mit Europa möglich ist. Deutschland arbeitet mit allen drei südkaukasischen Ländern zusammen. Wir unterstützen die Stärkung der Souveränität, die wirtschaftliche Entwicklung und den demokratisch-rechtstaatlichen Fortschritt in diesen jungen Staaten.

- Was ist der größte Wunsch und die größte Sorge der Europäischen Union im Südkaukasus? Was möchte EU in dieser Region sehen oder auch nicht? Könnte man über die gemeinsamen außenpolitischen Interessen der EU sprechen?

- Die EU verfolgt eine gemeinsame Politik in dieser Region. Europa ist an einem intensiven Dialog mit Aserbaidschan interessiert. Das neue Abkommen soll sämtliche Bereiche der Kooperation umfassen. Es wird seit Anfang letzten Jahres zwischen der EU und AZE verhandelt und ich bin zuversichtlich, dass die Verhandlungen bald abgeschlossen werden.

- Sie besuchen oft Regionen von Aserbaidschan. Welchen Eindruck haben Sie von den dort lebenden Menschen?

- Ich bin sehr gerne in Baku, es ist eine kulturell reiche und lebenswerte Stadt. Dennoch ist es mir sehr wichtig, regelmäßig in die Regionen zu kommen. Ich versuche, mindestens einmal im Monat in offizieller Funktion das Land zu bereisen, darüber hinaus bin ich auch oft mit meiner Familie in meiner Freizeit unterwegs. Der aserbaidschanische Staat hat massiv in die Regionalentwicklung investiert, und auch ein  Großteil von Projekten der deutschen Entwicklungszusammenarbeit findet in den Regionen statt. Wir arbeiten auch daran, Kontakte zwischen deutschen Hochschulen und aserbaidschanischen Universitäten außerhalb Baku aufzubauen.

- Sind Sie zufrieden mit dem derzeitigen Stand der deutsch-aserbaidschanischen Beziehungen?

- Aserbaidschan ist der wichtigste Wirtschaftspartner Deutschlands im Südkaukasus. Es ist eines unserer größten Erdöllieferanten und neben Russland das einzige Land in der GUS-Region, das eine deutsche Auslandshandelskammer hat. Wir begrüßen die Entscheidung der aserbaidschanischen Regierung, die Diversifizierung der Wirtschaft voranzutreiben. Deutsche Firmen, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen, können ihre bewährten Erfahrung bei diesem Diversifizierungsprozess einzubringen.

- Auch unsere Kulturbeziehungen entwickeln sich dynamisch. Der Deutscher Akademische Austauschdienst freut sich über das ungebrochene Interesse aserbaidschanischer Jugend an einem Studium an deutschen Hochschulen. Ich bin besonders froh darüber, dass im vergangenen Jahr das Goethe Zentrum seine Arbeit in Baku aufgenommen hat. Die in dieser kurzen Zeit schon stattgefundenen Konzerte, Ausstellungen und Veranstaltungen erfreuen sich großer Beliebtheit beim aserbaidschanischen Publikum.

-In diesem Jahr feiern wir 200 Jahre seit der Gründung der ersten deutschen Siedlung in Helenendorf, dem heutigen Göygöl. Dieses Jubiläum erinnert uns daran, dass die Beziehungen zwischen unseren beiden Völkern eine lange und wechselvolle, aber insgesamt sehr fruchtbare Geschichte haben, an die sich gut anknüpfen lässt.

- Wie denken Sie, um in naher Zukunft "Mercedes" –produzieren zu können - natürlich es geht  nicht nur um "Mercedes",  - was brauchen wir?

- Die Menschen sind die Triebfeder jeder erfolgreichen Wirtschaft. Deshalb ist die Ausbildung ein entscheidender Faktor für den Investitions- und Produktionsstandort Aserbaidschan. Um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können, sind außerdem moderne Standards und Einbeziehung in Handelsregime von großer Bedeutung, denn diese tragen zur Qualitätssicherung bei und senken die Kosten. Gemeinsam mit der EU unterstützt Deutschland Aserbaidschan auf diesem Weg. Nicht zuletzt ist es die Rechtssicherheit, die ein Land attraktiv für Investoren macht: die wirtschaftlichen Akteure müssen Vertrauen in die Unabhängigkeit der Justiz, in den Schutz ihrer Grundrechte und die Gleichheit vor dem Gesetz haben können.

Adil Shamiyev

Zaur Bandaliyev


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